Nachhaltigkeit schaffen als KMU mit Hermann Diebold - #91
Shownotes
Sind „#Nachhaltigkeit“ und „#Klimaneutral“ nur Labels zur Imagepflege? Und können Unternehmen, gerade KMUs, sich das überhaupt leisten?
Diese Frage klären wir heute mit Hermann Diebold, Gesellschafter der Helmut Diebold GmbH & Co. Und wir wären nicht L-mobile wenn die #Digitalisierung dabei nicht auch eine Rolle spielen würde.
Zum Beispiel sprechen wir darüber, ob digital auch gleichzeitig nachhaltig bedeutet. Und das Thema Zertifikate kommt ebenfalls auf unseren Podcast-Tisch, denn es tummeln sich leider so einige unseriöse Anbieter in diesem Bereich.
Wenn dich außerdem interessiert, ob Nachhaltigkeit und Klimaneutralität auch Vorteile bei der Gewinnung neuer Talente bringen kann solltest du dir die neue Folge direkt aufs Ohr packen!
Wenn du noch Fragen zum Thema der Folge hast oder Themenwünsche für weitere Folgen, schreibe uns das gerne unten in die Kommentare oder schreibe uns an marketing@l-mobile.com.
Du möchtest mehr über L-mobile erfahren? Dann schaue gerne auf unserer Website vorbei: https://www.l-mobile.com/?utm_source=Podcast&utm_medium=social&utm_campaign=organic_podcast-91-hsk
Auch die Helmut Diebold GmbH & Co. freut sich über einen Besuch: https://www.hsk.com/
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lmobile #podcast #production
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Podcast 91 Transkript – Nachhaltigkeit schaffen als KMU mit Hermann Diebold
(00:38 – 01:29) Intro
ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Ja, manche von euch erkennen unseren Gast vielleicht schon wieder. Heute geht es aber nicht um die Digitalisierung im Präzisionswerkzeugbau und was man da alles machen kann und wie Unternehmertum heute eigentlich noch funktioniert, sondern wir schauen uns ein ganz anderes spannendes Thema an, das die Diebold GmbH nämlich umgesetzt hat: eine klimaneutrale Produktion. Was ich wahnsinnig spannend finde. Und ich bin jetzt schon aufgeregt, zu erfahren, wie euch das gelungen ist. Bei mir ist wieder mein Gast Hermann Diebold, er ist geschäftsführender Gesellschafter der Helmut Diebold GmbH, und ich freue mich, dass du wieder da bist.HERMANN DIEBOLD: Freut mich auch.ANDREA SPIEGEL: Wie immer an dieser Stelle noch ein kurzer Hinweis an euch: Auch diese Folge gibt es wieder als Video auf YouTube zu sehen. Schaut also gerne mal vorbei, falls euch interessiert, wie wir hier so nett zusammensitzen.
(01:30 – 02:39) Vorstellung von Hermann Diebold und der Helmut Diebold GmbH & Co. Goldring-Werkzeugfabrik
ANDREA SPIEGEL: Hermann, du hast dich vorhin schon vorgestellt, aber da jetzt vielleicht nicht jeder, der das vorherige Interview nicht gehört hat, Frevel, erzähl uns doch nochmal ganz kurz, wer du bist, was du genau bei Diebold machst und was ihr eigentlich als Firma tut.HERMANN DIEBOLD: Ja gut, wir haben ein Produktionsunternehmen mit 120 Mitarbeitern. Die Firma ist 70 Jahre alt, wurde von meinem Vater als Lohnfertigungsbetrieb gegründet. Nach 30 Jahren haben wir dann eigene Produkteentwickelt, und heute machen wir eigentlich nur noch eigene Produkte, wobei ein gewisser Teil Lohnfertigung bleibt. Wir bedienen den Markt natürlich selbst, sind aktiv bei den Kunden. Wir haben Vertriebsmitarbeiter, Vertretungen und auch Auslandsvertretungen – also das volle Programm. 120 Mitarbeiter sind ein relativ kleiner Mittelständler, der nicht unbedingt an jeder Ecke ein eigenes Organisationsbüro hat, sondern man muss sich um wirklich alle Details selber kümmern. Am Ende des Tages kommt dann immer die letzte Frage zu mir – die wird immer bei mir gestellt.ANDREA SPIEGEL: Sehr schön.
(02:40 – 07:05) Spontane Frage
ANDREA SPIEGEL: Ich habe mir auch für unsere zweite Folge wieder eine kleine Frage zum Kennenlernen ausgedacht, natürlich eine andere als in der letzten. Und nachdem ich dich jetzt besser kennengelernt habe, bin ich noch gespannter auf deine Antwort auf die Frage: Wenn du irgendeine beliebige technologische Entwicklung oder Innovation, die du kennst oder die du gerne hättest, heute mit einem Fingerschnippen um 15, 20 oder 50 Jahre beschleunigen könntest, welche wäre das und warum?HERMANN DIEBOLD: Das ist ganz schwierig, nur eine zu nennen, weil da gäbe es zig verschiedene, ganz klar. Was ich mir natürlich wünsche, sind bessere Hilfsmittel. Also, wir haben im anderen Podcast über Digitalisierung gesprochen. Ich bin mit der IT, wie sie heute angeboten wird, nicht zufrieden. Das muss besser gehen, und vor allem müssen die Sicherheitsaspekte verbessert werden. Wenn ich daran denke, was wir für ein Sicherheitssystem um unsere Server herum aufgebaut haben, ist das schon unglaublich aufwendig. Und wir wissen nicht, ob wir morgen einen Cyberangriff haben. Hier würde ich mir wünschen, dass etwas Neues kommt. Ich habe es im letzten Podcast schon gesagt: Vor zehn Jahren hatte ich den Tipp, Frau Merkel, nimm fünf Milliarden in die Hand und mach was Neues.Die Tech-Riesen aus den USA machen einen tollen Job, verdienen viel Geld, aber am Ende des Tages leidet die ganze Menschheit darunter, und das ist nicht gut genug. Das ist der IT-Teil. Der andere Teil ist natürlich technisch. Technisch darf es keine Limits geben, da kann man sich die tollsten Sachen ausdenken, ob es nun um Energieerzeugung oder Mobilität geht. Da gibt es viele, viele tolle Ansätze. Man muss am Ende des Tages natürlich schauen: Sind sie finanzierbar, sind sie bezahlbar?Ein Beispiel: Rauf und runter wird gesagt, wir müssen in Zukunft mit Wasserstoff fahren. Das ist ganz toll, aber wenn der Liter fünf Euro kostet, dann wird es schwierig. Und wir wissen jetzt ganz genau: Die Leute wollen das nicht, wenn es sich nicht rechnet. Man sieht es ja an der Elektromobilität: Keine Förderung mehr – schon ist das Thema zu Ende. Wir sehen das jetzt wirklich, das Thema ist tot. Da kann man tun und lassen, was man will. Das wird sich nicht mehr fangen. Das sehe ich zumindest so, was ich aus der Industrie höre.ANDREA SPIEGEL: Aber das heißt, IT wäre etwas, wo du sagst, da würdest du gerne heute mit einem Fingerschnippen mal aufräumen, neue Strukturen reinbringen und es irgendwie einfacher machen?HERMANN DIEBOLD: Ja, das würde ich gerne sehen. Es gab ja schon vor 20 Jahren Filme, die einen Blick in die Zukunft geworfen haben, wo man solche Cyber-Geschichten gesehen hat, wie zum Beispiel in einem Film mit Kirk Douglas. Ganz toller Film. Und wir sind in die Nähe dieser Zukunft gekommen. Aber wenn ich die Sicherheitsaspekte anschaue, die fehlen mir noch komplett.ANDREA SPIEGEL: Da ist noch etwas vor uns.HERMANN DIEBOLD: Wir haben da auch eine höllische Angst davor. Cybersicherheit – was haben wir gemacht? Wir haben Schulungen für unsere Leute durchgeführt, um das Bewusstsein zu schärfen, einfach zu wissen, was man falsch machen kann. Wir haben eine Versicherung dafür abgeschlossen – also das volle Programm. Und das ist etwas, was eigentlich nicht hätte sein müssen. Wenn man sich denkt, E-Mail war ja eine ganz tolle Erfindung. Und was machen die Leute heute draus? Da sind ja Heerscharen von Kriminellen unterwegs.ANDREA SPIEGEL: Überall, wo es so eine Funktion gibt, die irgendwie genutzt werden kann, gibt es halt irgendwann auch immer diejenigen, die das missbrauchen, wahrscheinlich.HERMANN DIEBOLD: Ja, und wir haben ja die Handelsplattform „7Tools“, wie ich im anderen Podcast schon gesagt habe. Da ist es ganz wichtig: Da gehen keine Daten übers Internet. Wenn wir jetzt einen Auftrag an einen Hersteller schicken, dass der Kunde bei der Plattform bestellt hat, dann kriegt er nur eine Nachricht: „Für dich ist eine Bestellung da.“ Und dann geht er auf unseren Server und holt diese Daten ab. So läuft das Ganze ab. Es kann niemand auf die Daten zugreifen.ANDREA SPIEGEL: Ja, das ist natürlich super, aber auch umständlich.HERMANN DIEBOLD: Ja, aber wenn man sich andere Sachen anschaut – wenn man heute sieht, was wir aus unseren ERP-Systemen alles rausschicken über E-Mail oder irgendwelche anderen Uploads, halte ich das für sehr gefährlich. Und man muss sich nicht wundern, wenn die Amerikaner ein neues Flugzeug erfinden und, wenn sie auf der Messe sind, der Russe schon die Kopie vorstellt. Da weiß man doch ganz genau, was im Hintergrund gelaufen ist.ANDREA SPIEGEL: Ja, das stimmt. Aber wir wollen uns heute nicht von den kriminellen und schlimmen Ideen und Energien runterziehen lassen.HERMANN DIEBOLD: Nein, um Gottes willen, niemals.
(07:06 – 16:43) Wie wurde die Helmut Diebold GmbH & Co. Goldring-Werkzeugfabrik nachhaltig und klimaneutral?
ANDREA SPIEGEL: Genau, wir konzentrieren uns jetzt mal auf das, was ihr da Tolles geschafft habt bei euch, in Jungingen, hast du, glaube ich, gesagt.HERMANN DIEBOLD: Richtig.ANDREA SPIEGEL: Genau. Und zwar, ich habe es schon ein bisschen erwähnt in meinem Intro, ihr seid in Sachen klimaneutrale Produktion und generell dem ganzen Thema Nachhaltigkeit sehr engagiert. Und seid da, glaube ich, durchaus auch Vorreiter an der einen oder anderen Stelle – das kann man, glaube ich, sagen, zumindest in meiner Wahrnehmung. Vielleicht sagst du mir auch gleich etwas ganz anderes. Ich falle da jetzt einfach mal mit der Tür ins Haus: Wie habt ihr das gemacht und wie habt ihr das geschafft?HERMANN DIEBOLD: Gut, da hat natürlich auch der Zufall eine Rolle gespielt. Das erste, was wir uns immer gewünscht haben, war eine klimatisierte Fertigung. Man muss sich vorstellen: Ein Metallteil wird in der Endkontrolle bei 21 Grad gemessen, und produziert wird es bei 30, 35 Grad. Da muss man immer mit den Toleranzen schummeln. Also, wenn ich am Schluss meine Toleranz hier haben will, dann muss ich es so fertigen, dass sie im Messraum passt. So wollte ich nicht mehr arbeiten. Und das Klimasystem bestand damals darin, Türen und Fenster zu öffnen und die Tore aufzumachen. Und dann haben wir gesagt, 2006…ANDREA SPIEGEL: Wie man es halt so in Deutschland macht, man lüftet halt.HERMANN DIEBOLD: Ja, klar. Was soll man auch anders tun? Und 2006 haben wir dann gesagt: Gibt es eine Möglichkeit, eine bezahlbare Klimatisierung zu realisieren? Und dann haben wir uns auf die Suche gemacht. Jetzt ein ganz wichtiger Tipp von meiner Seite an jeden, der das machen möchte: Nehmt nur einen Planer oder eine ausführende Firma, die ein funktionierendes System zeigen kann. Es gibt sehr viele Unwissende auf diesem Sektor, auch heute noch, die sich das zutrauen. Wenn ich es nicht vergesse, erzähle ich am Schluss noch ein paar Beispiele. Also, ich bin losmarschiert und habe gesagt, wo gibt es so etwas? Dann habe ich eine Firma gefunden, die Firma Decke-Maho in Pfonden, die hatten so ein System.Die stehen auf einer Kiesmoräne, also in einem ehemaligen Gletschergebiet, und darunter fließt kaltes Brunnenwasser, das immer bei 8 oder 10 Grad liegt. Dieses Wasser pumpen sie in das Gebäude und kühlen damit das Kühlwasser für ihr Kühlsystem. Daraufhin habe ich darum gebeten, dass sie mir den Kontakt zu dem Planer herstellen, und der hat dann unser Projekt geplant. Aber er musste das ganz anders machen, weil wir kein Grundwasser haben, wir stehen auf Schiefer. Bei uns kommt nach einem Meter Schieferboden kein Grundwasser. Dann hat er gesagt: Okay, wir machen das mit Luft. Wir saugen Luft ins Gebäude auf der einen Seite, und diese Luft geht durch einen Erdkanal, durchs ganze Gebäude, und kommt dann bereits gekühlt am Wärmetauscher an – oder aufgewärmt im Winter, wenn es draußen Minusgrade hat. Dann kommt die Luft etwas wärmer an, und damit kühlen wir unser Kühlwasser ab. Aber das funktioniert nur bei Außentemperaturen bis 12 Grad. Darüber haben wir den Fluss angezapft, der bei uns vorbeifließt – und da kommt die Bürokratie ins Spiel.ANDREA SPIEGEL: Wollte gerade sagen, darf man das so einfach?HERMANN DIEBOLD: Man darf das schon, weil das vollkommen unproblematisch ist. Das Wasser, das wir entnehmen und zurückleiten, erwärmt den Bach nur um 0,0 irgendwas Grad.ANDREA SPIEGEL: Das macht also nichts aus?HERMANN DIEBOLD: Macht gar nichts aus. Mit den Behörden gab es auch kein Problem. Nur das Genehmigungsverfahren war etwas bürokratisch. Wenn diese zwei Dinge nicht mehr ausreichen, läuft unser Klimagerät. Unser Klimagerät läuft jedoch nur drei Monate im Jahr – in der heißen Zeit, wenn der Bach kein Wasser hat oder es zu warm ist. Juli und August. Der Fluss ist übrigens erst etwa acht Kilometer lang, bis er bei uns vorbeifließt.ANDREA SPIEGEL: Von der Quelle bis dahin, das ist auch ein schönes, kühles Quellwasser.HERMANN DIEBOLD: Schon, ja, aber es erwärmt sich schnell, weil es nicht allzu viel ist. Wenn jetzt heute jemand am Neckar wohnt oder seine Firma am Neckar hat, der könnte wunderbar dieses Wasser für Kühlzwecke nutzen.ANDREA SPIEGEL: Da haben wir doch schon mal einen ersten guten Tipp.HERMANN DIEBOLD: Ja, durchaus. Man muss natürlich schauen, wie die Zugänglichkeit ist, wie man das Ganze anzapfen kann, wie die Temperaturverhältnisse sind. Aber so ein großer Fluss schwankt nicht so stark in der Temperatur, das ist viel leichter zu handhaben als bei uns. Stellen wir uns mal vor, bei uns liegt Schnee, und dann scheint die Sonne. Es hat 20 Grad Plus – das gibt es oft im April. Dann hat man Wassertemperaturen, die verrückt spielen. Also, wir haben dieses System installiert, und es läuft bis heute hervorragend. Besonders der Übergang der Jahreszeitenfunktioniert vollautomatisch. Wir müssen da nichts umstellen.ANDREA SPIEGEL: Das heißt, Luftkühlung, Wasserkühlung und im Zweifel dann eben noch das Klimagerät?HERMANN DIEBOLD: Ja, und die Temperaturen werden gemessen, und das System braucht dann vielleicht zwei Tage, bis es sich an die neuen Temperaturen gewöhnt hat. Im April, wie gesagt, hat es morgens 0 Grad und mittags 20 Grad, und das muss das System einfach balancieren können. Dafür braucht man natürlich eine ausgeklügelte Regelungstechnik. Und jetzt kommt auch wieder Digitalisierung ins Spiel. Wir haben sehr viele Daten. Wir können Temperaturen sehen, Pumpen, Drücke – alles Mögliche sehen und auch einstellen. Aber wir können nichts damit anfangen. Wir können diese Daten nicht sinnvoll nutzen, zum Beispiel zum Energiesparen. Das System stammt von einer weltbekannten Firma, bei der Siemens draufsteht, aber diesen Schritt haben sie noch nicht gegangen.ANDREA SPIEGEL: Was würdest du denn zum Beispiel erwarten? Also, was würdest du gerne mit den Daten machen?HERMANN DIEBOLD: Dass das System schon voraussieht, anhand des Wetterberichts, welche Regelungen ich treffen könnte.ANDREA SPIEGEL: Predictive Einstellungen sozusagen.HERMANN DIEBOLD: Oder dass es mir einfach sagt: Diese Pumpe muss jetzt nicht laufen, die kann abgeschaltet werden. Oder ich kann Lichter ein- und ausschalten. Ich kenne eine Firma, ein Kunde von uns, der macht das ganz toll: Jedes Büro hat Bewegungsmelder, und nur wenn jemand drin ist, geht das Licht an. Wir haben das auch, ja, das ist richtig klasse. Und auch die Frequenzregelungen von Kompressoren haben wir nachgerüstet. Wenn ich am Wochenende in meine Fabrik komme, dann zischt es irgendwo, läuft Druckluft. Das könnte man viel feiner regeln. Wir machen uns auf die Suche nach diesen Möglichkeiten, um einfach Geld zu sparen und Energie zu sparen. Energie ist wahnsinnig teuer geworden, das weiß jeder. Unsere Strompreise haben sich verdreifacht, von jetzt auf nachher, und wir können die Preise nicht weitergeben, das geht einfach nicht. Wir müssen schauen, wie wir intelligente Systeme einsetzen, um das anders zu machen.Klimaneutral. Genau. Mit der Neuklimatisierung ist die Fabrik noch lange nicht klimaneutral. Dann haben wir uns gefragt: Wie heizen wir, wie machen wir das mit der Gebäudeheizung? Ein Brenner, der in ein Loch eine Flamme schießt und Wasser erwärmt, ist nicht so hoch effizient, finde ich eigentlich. Aber es funktioniert natürlich gut seit Jahrzehnten. Wir hatten das Glück, dass unser Nachbar, eine große Firma, die Leuchten herstellen, sehr viel Energie für die Lackierung braucht und auch Kühlung für die Gebäude benötigt. Die haben ein Biokraftwerk gebaut, in dem sie Holz- und Hackschnitzel verbrennen. Das steht direkt bei uns in der Nachbarschaft, und wir konnten uns daran anschließen. Das heißt, wir haben keine Brennstellen mehr im Haus. Ganz wichtig.ANDREA SPIEGEL: Für die Klimahalle brauchst du auch eine Fußbodenheizung, oder?HERMANN DIEBOLD: Genau, und die muss über eine Betonkernaktivierung die Grundwärme für den Gebäudekörper bereitstellen. Diese speisen wir mit der Abwärme der Kompressoren. Das ist ganz simpel. Da braucht man ein paar Pumpen.ANDREA SPIEGEL: Also ein interner Kreislauf sozusagen.HERMANN DIEBOLD: Genau. Man könnte die Abwärme auch einfach rausblasen, aber damit kann man nichts anfangen. Das war auch ein ganz wichtiges Thema auf dem Weg zur Klimaneutralität. Und wir behaupten heute, wir sind klimaneutral.ANDREA SPIEGEL: Das wollte ich gerade sagen. Habt ihr irgendwelche Zertifikate, oder sagt ihr einfach, das ist euer eigener Maßstab? Oder wie handhabt ihr das?HERMANN DIEBOLD: Es ist bisher unser eigener Maßstab. Es wird aber Zertifikate brauchen. Wir sind auf dem Weg, dass jede Firma so ein Zertifikat braucht. Da kommt auch wieder ein bisschen Bürokratie dazu. Es wurde so beschlossen, dass man das macht. Aber wir haben ein gewisses Glück: Es gibt eine Firma, die ein offenes System mit vielen Formeln entwickelt hat, die man an seine Bedürfnisse anpassen kann, um so seine Daten zu erzeugen. Dieses System wird jetzt über den VDMA den Firmen zugänglich gemacht. Ich glaube, nicht nur den Mitgliedern, sondern allen. Damit hat man einen Standard, weiß, wie die Auswertung aussehen muss, und bekommt vergleichbare Daten. Das macht das Leben dann viel einfacher.ANDREA SPIEGEL: Also ein Standard wird nötig sein.HERMANN DIEBOLD: Genau. Derzeit ist es so, dass die Firma Bosch ihrem Lieferanten 30 Seiten Formulare schickt und sagt: „Füll das mal aus nach meinem Schema.“ Dann kommt der nächste Kunde und der übernächste. Das ist so nicht zu machen. Wir brauchen eine Standardisierung. Dann verliert das Ganze seinen Schrecken. Man kann sich selbst im Spiegel sehen, das Verbesserungspotenzial erkennen und sich nach außen entsprechend aufstellen.
(16:44 – 19:45) Welche Faktoren sind für ein nachhaltiges und klimaneutrales Unternehmen wichtig?
ANDREA SPIEGEL: Was gehört denn für dich da noch alles dazu? Ich sage mal, klimaneutrale Produktion macht man ja jetzt. Ich habe gehört, die Motivation war durchaus auch, dass es dann für die Produktion, die Nacharbeit und so weiter alles einfacher, schneller vielleicht auch geht und ein bisschen gleichmäßiger. Gibt es noch andere Faktoren, die für euch wichtig sind in puncto Nachhaltigkeit, mal ganz abgesehen vielleicht von der Produktion?HERMANN DIEBOLD: Wir haben ja Bestandsgebäude, eine 70 Jahre alte Firma. Wir sind seit 1969, glaube ich, am jetzigen Standort. Also die älteste Halle ist von 1969. Da haben wir das Dach ertüchtigt. Und auch da sind jetzt keine Fenster mehr drin. Das war so eine Shed-Bauweise, bei der abends die Sonne reingeschienen hat, mit allen Nachteilen. Und das haben wir zugemacht. Und dann haben wir gesagt: Ja, wir müssen ja da lüften, heizen und kühlen. Das haben wir geschafft.Und diese Anlage, die da draufsteht, hat einen Wärmerückgewinnungsgrad von 96 Prozent. Das ist sensationell. So, jetzt haben wir die Halle ertüchtigt. Halle 3 ist diese Klimahalle, wo gar nicht geheizt wird. Und in der Mitte ist die Halle 2. Und ich sehe keine Heizlüfter mehr laufen in Halle 2. Also das sind Dinge, die man…ANDREA SPIEGEL: Haben quasi die beiden anderen Hallen schon Auswirkungen auf die Wintertemperaturen.HERMANN DIEBOLD: Ja, die man dann einfach kriegt. Die Investitionen in Halle 1, die Renovierung und auch dieses Lüftungs-Klimagerät, das kriegt man auch nicht umsonst. Man darf es nicht unterschätzen. Man hat enorme Wartungskosten. Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Und vor einigen Jahren, bei irgendeinem Bauabschnitt, haben wir gesagt, wollen wir eine Brandschutzanlage, also Brandmeldeanlage und Sprinkleranlage. Und ich habe gesagt, hätte ich schon gerne. Was kostet das?Und dann bin ich auf die Idee gekommen, jetzt spreche ich mal mit dem Versicherer, was ich da an Prämie spare. Und diese Einsparung der Prämie hat gereicht, um dieses Ding zu finanzieren. Wahnsinn. Ganz genial. Das Einzige, was wir zusätzlich haben, sind die Wartungskosten. Die sind eben da. Wenn man so ein Konstrukt hat in einer Firma, stehe ich im Wettbewerb mit anderen Firmen, die das nicht haben. Aber ich habe höhere Kosten dadurch.ANDREA SPIEGEL: Kannst du aber, wie du vorhin schon erklärt hast in der anderen Folge, auch nicht einfach deine Preise erhöhen, weil dann springen dir die Kunden ab.HERMANN DIEBOLD: Kann man nicht, aber ich kann meine Kunden halten dadurch. Weil wir eben genauere Produkte machen können, höhere Präzisionen haben. Und die Kunden, die bei uns kaufen, tun das genau deshalb. Die könnten wir so höchstens über die Preise im Wettbewerb erreichen, aber so erreichen wir sie einfach über die Technik. Qualität. Ich werde immer wieder von meinen eigenen Leuten gefragt, oder wenn neue Leute ins Unternehmen kommen: „Herr Diebold, rechnet sich das überhaupt?“ Dann sage ich immer ganz klar: „Nein, es rechnet sich nicht.“ Aber wenn ich es nicht hätte, würde ich davon träumen und es haben wollen. Und wir haben einfach den Weg gemacht und gesagt: „Okay, wir ziehen das durch, wir machen das.“
(19:46 – 20:57) Rentabilität von Nachhaltigkeit und Klimaneutralität
ANDREA SPIEGEL: Ist jetzt vielleicht ein bisschen indiskret die Frage, aber weil du gerade schon das Thema Investitionen und so weiter angesprochen hast: Wie kann man sich das dann am Ende trotzdem leisten? Also du hast ja auch gerade gesagt, eigentlich rechnet es sich nicht. Auf der anderen Seite ist es aber auch irgendwie jetzt euer Qualitätsmerkmal, sage ich mal, was eure Produkte noch besser macht. Wie geht sich das wirklich nicht auf?HERMANN DIEBOLD: Nein, tut es nicht. Es geht einfach auf die Rentabilität des Unternehmens. Also ein Wettbewerber, der das alles nicht hat und meinen Kunden überzeugen kann, dass sein Produkt genauso gut ist, den habe ich verloren. Ganz einfach. Also es ist ein harter Kampf an der Stelle, ganz klar. Aber wie ich im Podcast erzählt habe, die Maschinen werden immer besser, immer genauer und die Ansprüche werden immer größer. Und das ist genau das, was uns entgegenkommt. Wir sind vorbereitet. Wir müssen nichts Neues mehr lernen. Wir müssen auch in Sachen Klimaneutralität kein Geld mehr investieren. Das ist zum Beispiel ein Vorteil. Wir haben es schon hinter uns.ANDREA SPIEGEL: Ihr habt es schon vor Jahren gemacht.HERMANN DIEBOLD: Das Geld ist schon ausgegeben.ANDREA SPIEGEL: Habt also auch die Zeit schon investiert, quasi.HERMANN DIEBOLD: Richtig. Und viel gelernt natürlich auch dabei. Und wenn andere Firmen das jetzt machen, müssen sie Geld und Potenzial reinstecken. Ganz klar.
(20:58 – 22:34) Welche Faktoren hat die Helmut Diebold GmbH & Co. Goldring-Werkzeugfabrik bei der Berechnung der Nachhaltigkeit und Klimaneutralität einbezogen?
ANDREA SPIEGEL: Habt ihr denn bei eurer Klimaneutralität jetzt in der Betrachtung für euch selbst erstmal nur die Energiekosten und so weiter bedacht? Oder habt ihr da auch sowas reingerechnet wie den ökologischen Fußabdruck der Mitarbeitenden, Serverkapazitäten, IT – das ist ja auch immer ein Energiefresser, sage ich mal. Also das im besten Sinne.HERMANN DIEBOLD: IT, ganz simpel. Wir haben einen Serverraum, da standen früher 15 Server drin, mit einer Klimaanlage. Das macht doch keinen Sinn. Heute haben wir virtualisierte Desktops, wo keine einzelnen PCs mehr da sind. Da hat man gewisse Einschränkungen in der Nutzbarkeit. Wenn ich jetzt zum Beispiel ein Video anschauen will auf meinem SYN-Client, dann holpert das halt.Aber die ganzen Office-Arbeiten und ERP-Sachen, das geht wunderbar. Und das ist schon eine enorme Einsparung. 15 Server, die Betriebssysteme brauchen, Wartungen, Klimatisierung, die wahnsinnige Wärme abstrahlen – das muss alles nicht sein. Wenn ich heute höre, finde ich es ja ganz toll, dass man Rechenzentren braucht, weil die jungen Leute so viel Games spielen und immer größere Angebote von Meta und weiß Gott woher bekommen, dass man mit dieser Abwärme von Rechenzentren ganze Stadtteile heizen kann. Das heißt, da war es faul, das muss doch anders gehen.ANDREA SPIEGEL: Also immer auch mal den Status quo hinterfragen, sozusagen. Das kann auf jeden Fall nicht schaden an der Stelle.HERMANN DIEBOLD: Und wenn man etwas neu installiert hat, dann ist es höchste Zeit, nachzudenken, wie man es hätte besser machen können. Um einfach fürs nächste Mal schon vorbereitet zu sein.
(22:35 – 28:38) Wer kümmert sich in der Helmut Diebold GmbH & Co. Goldring-Werkzeugfabrik um die Themen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität?
ANDREA SPIEGEL: Wie ist das bei euch, das ganze Thema Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und alles, was da vielleicht auch noch kommt? Du hast ja auch schon gesagt, da kommt vielleicht noch ein bisschen was. Wer hält das bei euch nach? Wer kümmert sich darum? Habt ihr jemanden, der sich dezidiert um diese Themen kümmert? Oder ist das eher eine Gruppe von Menschen, die sich da verantwortlich fühlen? Oder wie macht ihr das?
HERMANN DIEBOLD: Also das kommt sicher von mir, was die ganze Nachhaltigkeit angeht. Ich bin der Kostengetriebene, und wir wollen gute Produkte machen. Produkte höchster Qualität, die haben auch die längste Lebensdauer. Das ist die wahre Nachhaltigkeit. Wenn ich heute, ja, ich kaufe irgendetwas, oder ich muss nochmal zurückkommen auf unsere Handelsplattform. Ich gehe durch unsere Werkstatt und sehe, wir haben Schraubenzieher aller Art, Zangen und was auch immer. Da denke ich, wer hat das gekauft? Das ist Baumarktqualität. Dafür haben wir Geld ausgegeben. Das ist im Leben keine Nachhaltigkeit. Ich stand neulich auf der Leiter, habe ein Rohr abgesägt. Und dann ist mir die Säge runtergefallen. Die ist in fünf Stücke zerfallen. Die war nagelneu. Musste ich sie wegschmeißen. Wäre es ein „Made in Germany“-Produkt gewesen, hätte es dem Ding gar nichts ausgemacht. Und so sehe ich die Nachhaltigkeit.
ANDREA SPIEGEL: Das heißt, die neue Säge ist dann „Made in Germany“ jetzt?
HERMANN DIEBOLD: Ich hoffe.
ANDREA SPIEGEL: Dass dein Einkauf das so macht.
HERMANN DIEBOLD: Da kümmere ich mich schon selber drum. Wir haben ja die Plattform, über die ich selbst einkaufen kann. Da weiß ich ganz genau, welche Produkte dort drauf sind. Jetzt mache ich ein bisschen Werbung. Wir haben die Firma Viha drauf. Viha Schraubendreher – achten Sie mal darauf. Wir waren in der Fabrik, haben uns das angeschaut. Die machen 1000 Stück pro Schicht. Aber mit einer Hingabe, mit einer Genauigkeit, mit einer Präzision, mit x Patenten dahinter. Da weiß ich, das Ding kann ich bedenkenlos kaufen. Und das wird mir ewig Freude bereiten. Das ist wahre Nachhaltigkeit für mich.
ANDREA SPIEGEL: Langlebige, qualitativ hochwertige Produkte.
HERMANN DIEBOLD: Wenn man sich deren Fabrik anschaut, wie die Sachen gemacht werden, würde ich gerne mal eine chinesische Fabrik daneben stellen und gleichzeitig ein Video laufen lassen. Da würde man vom Glauben abfallen.
ANDREA SPIEGEL: Inwiefern?
HERMANN DIEBOLD: Wie toll die das dort machen, wie die ihre Produktion aufgebaut haben. Wo dort? Bei Viha, wie die die Produktion aufgebaut haben, wie sauber das Ganze ist, wie durchorganisiert das alles ist. Datenklarheit – da wird nichts doppelt gemacht. Da sitzt jeder Handgriff. Und dann wird darauf geschaut, welche Betriebsmittel im Einsatz sind. Was brauchen die an Energie? Wie steuere ich meine Anlagen? Wann steuere ich meine Anlagen? Das ist dort alles umgesetzt. Und jetzt kaufe ich bei Amazon dieses Schrottprodukt und sehe überhaupt nicht, was dahinter steckt. Da kann ich nur davor warnen. Viele wissen es vielleicht nicht, aber bei Amazon kann man auch gucken, wo die Ware herkommt. Das sieht man schon. Man kann sehen, wer der Lieferant ist. Und wenn da „Shenzhen“ dahintersteht, gehe ich sofort raus.
ANDREA SPIEGEL: Dann weiß man schon Bescheid.
HERMANN DIEBOLD: Ich war schon in Shenzhen, auch in Fabriken, habe ich gesehen, wo Tausende Mitarbeiter Brillengestelle oder Uhrengehäuse machen. Und die wollten von mir Produkte kaufen. Sie durften mir glauben, dass ich da wieder gegangen bin, mit dem Vertreter zusammen, und gesagt habe: „Nee, dem verkaufe ich nichts.“
ANDREA SPIEGEL: Es ist auch eine moralische Entscheidung.
HERMANN DIEBOLD: Das ist nicht anständig, was da passiert.
ANDREA SPIEGEL: Wäre vielleicht ein gutes Geschäft für euch gewesen, weil ihr hättet ja was verdient. Aber da steckt auch noch mehr dahinter. Nicht um jeden Preis.
HERMANN DIEBOLD: Ja, das geht bei mir nicht. Das geht über die Moralvorstellungen hinaus. Und deshalb, ich bin sehr froh. Wir leben ja hier im gelobten Land in Baden-Württemberg. Ich halte es für ein großes Privileg. Wir haben alle Technologien der Welt, die man hier haben kann. Wir haben ganz tolle Mitarbeiter. Wir haben ein funktionierendes Bildungssystem. Nach wie vor. Ich finde das nach wie vor gut. Man muss vielleicht ein bisschen nachhelfen.
ANDREA SPIEGEL: Ein bisschen justieren.
HERMANN DIEBOLD: So ein einfaches Ding. Ich habe zwei erwachsene Söhne. Ich war vom Kindergarten an bis zum Abitur Elternbeirat. Und Sie alle wissen, bei der Elternbeiratswahl ziehen alle den Kopf ein und wollen nichts davon wissen. Ich war immer der Erste. Nicht, weil ich die kontrollieren wollte oder unter Druck setzen, sondern: Wo kann ich helfen? Was können wir verbessern? Ich habe nicht viel erreicht, ehrlich gesagt, am Ende des Tages. Aber wir bilden Lehrlinge aus. Wir haben duale Studenten. Und irgendwann, vor vielleicht 15 Jahren, habe ich gemerkt, das ist ja mein Hobby. Das macht ja richtig Spaß. Und zu sehen, wie die jungen Leute sich entwickeln. Die Talente zu erkennen. Fördern tun wir alle gleich. Das ist ganz klar. Aber es ist unglaublich wichtig, den jungen Leuten zu zeigen, dass sie dreieinhalb Jahre Zeit in der Lehre haben. Und wenn sie ein bisschen Augen und Ohren aufhalten, dann kriegen sie schon echt etwas mit. Und das ist ja das, was der Schwabe oder der Deutsche an sich einfach gelernt und getan hat. Und das ist für uns unglaublich wichtig gewesen. Wird es auch für die Zukunft sein. Wenn jetzt Leute ihre Arbeitsplätze verlieren, ist das für mich immer ein ganz, ganz schlechtes Gefühl, wenn ich Arbeitsnachrichten lese und solche Dinge sehe. Ich habe mir eine Liste gemacht von Firmen, die wie viel Personal abbauen. Die gucke ich mir ab und zu mal an. Und da kommt mir das Kalte hoch. Ich denke, irgendwas ist falsch gelaufen. So dürfen wir es nicht machen.
(28:39 – 31:20) Zukünftige Pläne von Hermann Diebold in Sachen Nachhaltigkeit
ANDREA SPIEGEL: Um nochmal auf das Thema Nachhaltigkeit zurückzukommen. Was habt ihr denn da in nächster Zeit noch geplant? Oder sagst du, wir sind jetzt gut aufgestellt, wir machen jetzt erstmal mit dem, was wir haben, und dann sehen wir weiter?
HERMANN DIEBOLD: Nee, definitiv nicht.
ANDREA SPIEGEL: Das hätte mich jetzt auch gewundert, ehrlich gesagt.
HERMANN DIEBOLD: Wir haben ja große Warenströme. Wir kriegen sehr viele Lieferungen jeden Tag. Und dann schauen wir uns an, wie das Ganze eigentlich verpackt ist. Und wir liefern auch sehr viel Ware aus. Wir haben darauf geachtet, dass wir möglichst viel Recyclingmaterial verwenden können. Wir haben da sehr radikal umgestellt und alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die es gibt. Um einfach zu sehen, auch derjenige, der uns Verpackungsmaterial liefert, wenn der sich um Nachhaltigkeit kümmert, dann haben wir alle gemeinsam gewonnen. Oder recycelbare oder wiederverwendbare Sachen. Das ist eigentlich ganz wichtig. Dann messen, steuern, regeln – ein ganz großes Thema in so einer Fabrik. Der höchste Verbrauch ist der Strom bei uns. Da habe ich noch keine Lösung, wo ich sagen kann, wie ich meine Maschine dazu bekomme, weniger Strom zu konsumieren.
ANDREA SPIEGEL: Wahrscheinlich Solarzellen auf dem Dach.
HERMANN DIEBOLD: Ja, aber da schalte ich eine Maschine ein und dann ist der Strom weg. Da kann man vielleicht die Büros, die Beleuchtung oder so etwas machen. Wir haben eine Photovoltaikanlage, das ist alles gut. Aber das ist nicht das Allheilmittel. Und dann haben wir noch ein weiteres Problem. Vor zwei Wochen hatten wir wieder einen Stromausfall. Und jeder Stromausfall kostet 40.000 Euro, weil alle Teile kaputt sind, von 30 Maschinen. Alle Werkzeuge sind kaputt, wir müssen alles neu einfahren. Das Jahr davor hatten wir drei Stromausfälle an einem Tag.
ANDREA SPIEGEL: In einem Tag?
HERMANN DIEBOLD: Und Stromausfall heißt, es muss nur ein Wackler sein. Da bleiben die Maschinen stehen. Also da wünsche ich mir eine Regelungstechnik, irgendeine Batterietechnik. Und ich wünsche mir natürlich stabile Stromnetze.
ANDREA SPIEGEL: Energieeffizienz auch.
HERMANN DIEBOLD: Nur, die Stromnetze sind eben nicht mehr stabil. Weil wir Windkraft nicht regeln können. Das geht nicht. Eine Gasturbine kann ich im Leerlauf schalten – mit einem Knopfdruck. Läuft im Leerlauf. Bei Windkraft geht das nicht. Und das sind die Wackler, die wir im Stromsystem haben. Die kosten irre viel Geld. Und ja, es ist einfach unbefriedigend. Und 40.000 Euro bei einem Stromwackler zu vergeigen, das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Da müssen wir etwas anderes erfinden. Müssen. Definitiv. Sonst gehen die Firmen woanders hin, wo das eben nicht so ist.
(31:21 – 34:02) Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit
ANDREA SPIEGEL: Würdest du auch sagen, dass euer Bewusstsein für das ganze Thema Klimaneutralität, Nachhaltigkeit euch vielleicht auch langfristig hilft, wenn man Richtung Klimawandel schaut? Da wird ja auch noch einiges auf unsere Gesellschaft zukommen, auf unsere Firmen natürlich auch, bis zu einem gewissen Punkt. Glaubst du, das hilft euch, da schon einen gewissen Weitblick zu haben? Oder sagst du, ehrlich gesagt, sind wir noch so mit uns beschäftigt, dass das noch gar nicht zählt?HERMANN DIEBOLD: Da entwickelt man schon einen sehr großen Weitblick. Oder ich habe zumindest für mich, glaube ich, gemerkt, was machbar ist und was nicht machbar ist. Was sinnvoll ist und was nicht sinnvoll ist. Ich möchte hier wirklich niemanden belehren, was die Klimaneutralität angeht. Und ich mache es immer so, zum Beispiel in der Kantine mit unseren Leuten. Da stelle ich so komische Fragen, weil ich möchte die Stimmung der Leute einfangen. Und das gelingt mir manchmal, dass sie dann wirklich loslegen und ihre wahre Meinung sagen. Oder am Lagerfeuer auf dem Flugplatz, da geht es ganz einfach. Da kommt das Thema immer wieder auf.ANDREA SPIEGEL: Andere Räume, andere Umgebung – das hilft manchmal.HERMANN DIEBOLD: Die Bürokratie kommt dann immer auf. Sie glauben gar nicht, was Piloten alles über Bürokratie aus der Fliegerei wissen. Das ist unglaublich, was es da alles gibt. Es gibt so viele Strafandrohungen, Bußgeldandrohungen. Und da höre ich eigentlich schon, dass die Leute gut informiert sind. Eigentlich wissen alle Bescheid. Und jetzt ist die Frage, ob wir uns als Gemeinschaft so aufstellen, dass wir auch das Richtige tun am Ende des Tages – zum Wohle der Wirtschaft. Ich glaube, in einem anderen Podcast habt ihr erzählt, dass ihr zwei Bücher geschrieben habt. Der erste davon heißt Vom Wohlstand in die Existenzkrise.Das Ding wird mir aus der Hand gerissen. Mein Nachbar, Unternehmer, hat davon gehört. Dann hat er seine Frau in die Bücherei geschickt. Und dann kam er zu mir und hat gesagt: „Ich habe beide Bücher in einer Woche gelesen. Und ich habe so viel aufgearbeitet, was mir selber durch den Kopf ging.“ Ich habe eigentlich nur versucht, Faktenzusammenzutragen, auch zu kommentieren natürlich, und viel Hilfe von Journalisten, Ingenieuren usw. – einfach deren Wissen weitergegeben.Und eines habe ich dabei gelernt: Wenn Sie die Fakten ändern, dann ändert sich meine Meinung. Das ist ganz wichtig. Und das würde ich gerne als Signal nach Berlin geben: Wenn Sie die Fakten ändern, bitte ändern Sie auch Ihre Meinung.ANDREA SPIEGEL: Dann hoffen wir mal, dass Berlin auch unseren Podcast hört. Aber davon gehen wir natürlich aus.
(34:03 – 37:38) Warum findet Hermann Diebold den Wandel seines Unternehmens zur Klimaneutralität trotz hoher Kosten wichtig?
ANDREA SPIEGEL: Ich habe noch eine Frage an dich, weil ich das vorhin echt spannend fand und mir auch vorstellen könnte, dass es den ein oder anderen Zuhörer oder Zuhörerin interessiert. Du hast gesagt, am Ende würdest du sagen, rein rechnerisch hat sich das Klimathema nicht unbedingt gelohnt. Warum glaubst du, dass es trotzdem der richtige Schritt war? Und warum würdest du es wieder tun? Oder würdest du es nicht wieder tun? Aber ich habe das jetzt schon so rausgehört.HERMANN DIEBOLD: Nein, ich würde es auf jeden Fall wieder tun. Das sichert unser Überleben, weil wir die Genauigkeit der Produkte herstellen können. Das ist das Einzige, womit wir heute punkten können, nach wie vor. Ob wir das auf der Kostenseite halten können, das wird die Frage sein. Wenn sich unsere Kundschaft entscheidet, ein anderes Produkt zu nehmen, das vielleicht aus dem Ausland kommt und einen anderen Preis hat, dann haben wir ein Problem. Wir machen regelmäßig eine SWOT-Analyse. Da geht es ja um die Bedrohungen. Und da habe ich ganz klar gesehen, das ist die Bedrohung. Wenn die Kunden nicht mehr bereit sind, diese Präzision zu kaufen, wenn sie sagen, es tut auch ein anderes Produkt, dann haben wir schon verloren. Wir bekommen eigentlich nicht mehr Geld für die Ware wie unsere Konkurrenten, aber wir haben treue Kundschaft. Es ist ein Geben und Nehmen. Wir liefern viel an Maschinenbauer, die die Maschinen an ihre Kunden weiterliefern. Und die Maschinen müssen doch funktionieren. Bisher hat es gut funktioniert. Das Geld dafür ist investiert. Also mache ich mir da keine Sorgen mehr. Aber es wird sich zeigen, ob das in der Zukunft haltbar ist.ANDREA SPIEGEL: Also müssen wir uns einfach in ein paar Jahren nochmal treffen, vielleicht.HERMANN DIEBOLD: Gerne.ANDREA SPIEGEL: Um eine Zwischenbilanz zu ziehen.HERMANN DIEBOLD: Dann vielleicht mit meinen Söhnen, die dann auch ihre eigenen Ideen einbringen müssen und ihre eigenen Fehler machen. Und Unternehmertum ist immer: You win, you lose.ANDREA SPIEGEL: Ja, eine Herausforderung.HERMANN DIEBOLD: Ja, natürlich. Aber es macht auch Spaß. Es macht auch riesig Spaß an der Stelle.ANDREA SPIEGEL: Sehr gut. Ich glaube, wie gesagt, wir können noch über das Thema weitersprechen, und ich hoffe, das war nicht unser letzter Podcast miteinander. Ich finde, da gibt es noch so viele Sachen, die ich gerne noch wissen würde.HERMANN DIEBOLD: Ja, und ich sage es nochmal an die Zuhörer: Wenn Sie sich Gedanken über Klimatisierung in Ihrem Unternehmen oder auch zu Hause machen – ganz egal – rufen Sie mich an. Dann sprechen wir darüber. Ich kann zumindest ein paar Warnungen aussprechen, ein paar Tipps geben. Und vielleicht kommt man so schneller zum Ziel. Ich musste meine Fehler erst machen, um daraus zu lernen.ANDREA SPIEGEL: Vielleicht können wir aus deinen Erfahrungen lernen.HERMANN DIEBOLD: Durchaus, ja.ANDREA SPIEGEL: Das wäre doch die bestmögliche und effizienteste Art, das zu tun. Ist so, ja. Vielen, vielen Dank für deine Zeit nochmal. Es hat riesig Spaß gemacht.Wenn euch da draußen die Folge gefallen hat, dann lasst uns gerne einen Daumen nach oben bei YouTube oder natürlich auch eine Bewertung bei Apple Podcasts oder Spotify da. Das würde uns riesig freuen. Ansonsten, wenn es Fragengibt, wenn ihr die Telefonnummer von Hermann braucht oder noch irgendwelche weiteren Infos, dann meldet euch bei uns, schreibt uns eine E-Mail oder lasst uns einen Kommentar da. Wir geben das gerne an euch weiter. Oder wenn ihr noch Wünsche für weitere Folgen habt oder Ideen, was wir vielleicht auch noch miteinander besprechen sollen, was euch interessiert, dann lasst uns das gerne wissen. Das nehmen wir gerne mit. Nochmal vielen, vielen herzlichen Dank an dich. Ich freue mich schon aufs nächste Mal.HERMANN DIEBOLD: Ich danke, dass ich dabei sein durfte. Ich freue mich immer, wenn man mich zu solchen Themen ausfragt, weil zu Hause fragt mich keiner danach. Da ist ja alles so, wie es ist.ANDREA SPIEGEL: Das ist ja das Schöne, dass das mal Teil meines Jobs ist.HERMANN DIEBOLD: Ja, dass man sich mal aussprechen kann.ANDREA SPIEGEL: Genau, dass man noch ein bisschen gefordert wird, auch mal Leuten, die davon keine Ahnung haben, Fragen zu beantworten. Vielen, vielen Dank für deine Zeit. Macht’s gut und bis zum nächsten Mal. Tschau.HERMANN DIEBOLD: Tschüss.
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